Wenn man sich
als Au Pair bewirbt, sollte man sich bewusst sein, dass es auf jeden Fall kulturelle Unterschiede geben wird. Jedes Land ist anders, aber auch jede Familie im Land deiner Wahl ist anders!
Woran du vielleicht noch nicht gedacht hast, ist, woran ich nicht gedacht habe, als ich mich als Au Pair beworben habe: Du und deine zukünftige Gastfamilie haben vielleicht nicht denselben Glauben. Solltest du das Au Pair für eine Familie einer anderen Religion werden?
Hier sind meine Erfahrungen als christliches Au Pair in einer jüdischen Gastfamilie.
Essgewohnheiten
Als orthodoxe Juden ernährte sich meine Gastfamilie koscher. In der koscheren Ernährung wird das Essen in drei Kategorien geteilt: Fleischiges, Milchiges und Neutrales.
Fleischiges und Milchiges dürfen nie gemischt werden! Meine Gastfamilie hatte zwei verschiedene Sets an Geschirr, Töpfen und Pfannen. Es gab auch zwei Backöfen, zwei Spülen und zwei Geschirrspülmaschinen. Es dauerte etwas, mich daran zu gewöhnen, aber nach einer Weile wurde es zur Normalität.
Da Fleischiges und Milchiges nicht gemischt werden dürfen, ist natürlich nicht alles im Supermarkt koscher. Glücklicherweise sind in vielen US-Staaten (u.a. New York)
spezielle Symbole auf Lebensmittelverpackungen, die die Nahrungsmittel als koscher kennzeichnen. Das machte das Einkaufen um einiges leichter.
Sabbat
Möglicherweise hast du schon vom Sabbat gehört, aber weißt du auch, wie ein typischer Sabbat aussieht? Juden dürfen am Sabbat nicht arbeiten. Er beginnt jeden Freitag bei Sonnenuntergang und endet am Samstag bei Sonnenuntergang. Nicht zu arbeiten bedeutet aber nicht nur, nicht zur Arbeit zu gehen. Es
beinhaltet auch physische Aktivitäten wie Radfahren, Erledigungen machen,
Autofahren, das Benutzen von Elektronik und selbst
Geld anzufassen.
Im Alltag bedeutet das, dass während des Sabbats die Lichter im Haus nicht ein- oder ausgeschaltet werden dürfen (meine Gastfamilie hatte einen Timer dafür), man darf nicht kochen (alle Mahlzeiten wurden vor Sonnenuntergang vorbereitet) und man darf nirgends hinfahren oder gefahren werden (wenn man irgendwohin möchte, muss man laufen). Anfangs überwältigte mich das alles, doch am Ende des Jahres wusste ich die Elektronik-freie Zeit zu schätzen.
Kleidung
Zwei meiner Gastkinder, Marc und Elliot, mussten täglich spezielle religiöse Kleidung tragen. Zum einen mussten sie ein sogenanntes “
Tzitzit” tragen, eine Art Unterhemd mit geknoteten Fransen. Zum anderen mussten sie immer eine
Kippa oder zumindest eine Kappe auf ihrem Kopf tragen. Rose musste als Mädchen keines dieser Dinge tragen.
Feiertage
Vielleicht ist es offensichtlich, aber trotzdem:
Juden feiern kein Weihnachten. Als ich in New York war, fiel Weihnachten auf
Hanukkah. Im ganzen Haus waren Menorahs verteilt und jeden Abend wurde eine weitere Kerze angezündet. Es war schön mit anzusehen, wie die Kinder aufgeregt durch die Gegend hüpften und ihre hebräischen Gebete beim Kerzenanzünden sprachen.
Obwohl ich Santa Claus in diesem Dezember nicht treffen konnte, kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich meine Zeit dort sehr genossen habe.
Um schließlich die Frage “Solltest du das Au Pair für eine Familie einer anderen Religion werden?” zu beantworten:
Warum nicht? Klar, ich musste mich erst daran gewöhnen, Freitag abends die Lichter nicht ausmachen zu können, aber nach einer Weile wurde es zur Normalität. Ich bin froh, das Au Pair meiner Gastfamilie geworden zu sein, denn ansonsten hätte ich einige fantastische Menschen weniger in meinem Leben.
Also, hab keine Angst. Wenn du eine Gastfamilie als Mensch magst, dann lass dich nicht von Kleinigkeiten wie ihrer Religion abschrecken.
Ich hoffe, ich konnte Dir helfen.
Wie immer gilt: Bleib dran für mehr!
Sammy-Jo